1.2. Ein vollständiges Verständnis der Hölle
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Wie verhält sich demgegenüber nun Galileis akribische Höllenvermessung, die gegen die theologischen bzw. qualitativen Implikationen des Gegenstandes vollständig abgedichtet scheint? Tatsächlich dürfte sie zunächst einmal vom Untergang des Analogiedenkens um die Wende zum 17. Jahrhundert zeugen und damit jene epistemologische Verschiebung anzeigen, an deren Ende schließlich der Rationalismus des »klassischen Zeitalters« stehen wird: Mit der im ausgehenden 16. Jahrhundert einsetzenden Ausrichtung der Erkenntnis auf die »Mathesis« werden die Ähnlichkeiten den Beweismethoden eines vergleichenden Denkens unterworfen und nurmehr anerkannt, wo sich ihr Gemeinsames in eine Logik von Ordnung und Identität überführen lässt – ein Prozess, zu dessen wichtigen Akteuren in der Tat Galileo Galilei zählt. Mit dem Verlöschen der weltbildenden Kraft des Ähnlichen schwindet aber auch die vorgängige, göttliche Textur der Welt; die Dinge geben ihre stabilen Bedeutungen und damit ihren unverbrüchlichen, vorgängigen Ort auf. Wer – ähnlich wie der von Foucault exemplarisch genannte Don Quichotte – ab dem späten 16. Jahrhundert noch in Dante’scher Manier in den Wald geht und dort überall göttliche Zeichen zu erkennen glaubt, bzw. ihm begegnende Lebewesen zu himmlischen oder höllischen Abgesandten erklärt, wird unweigerlich zur Komödienfigur oder/und zum Wahnsinnigen, zum Paranoiker.14
Insofern ist es übrigens folgerichtig, dass auch Lacan in seinem frühen Psychosenseminar (Seminar III)...