Heiner Müllers Werk, insbesondere die Theatertexte, mit dem Instrumentarium der Psychoanalyse zu untersuchen, ist ein Wagnis. Schnell entsteht der Verdacht einer entpolitisierenden Betrachtung, die die individualpsychologischen Deutungen des literarischen Schreibens über dessen gesellschaftliche Sprengkraft erhebt. Andererseits hat Müller selbst die „Erzählstruktur von Träumen“ für ein Theater gewünscht, das die Logik einfacher Realismen hinter sich lässt, und schon mit „Herakles 2“ und nachfolgend immer wieder „Traumtexte“ geschrieben, wie sie spätestens mit Gerhard Ahrens’ Sammelband unter diesem Titel aus dem Jahre 2009 als Kategorie von Texten Müllers endgültig etabliert wurden.
Peter Staatsmann, Literaturwissenschaftler, Regisseur und Dramaturg (in dieser Funktion auch Mitarbeiter von Dimiter Gotscheff), zeigt in seiner Studie, dass dieses Feld noch sehr viel weiter zu fassen ist, wenn man die Schreibstrategien Müllers insgesamt betrachtet. „Schreiben ist ein Lebensausdruck. Je mehr man es kalkuliert, desto wirkungsloser wird es, selbst politisch.“ Mit diesem Zitat steigt Staatsmann in seine umfassende Untersuchung ein, für die er hauptsächlich die von Melanie Klein in Absetzung von Sigmund Freud entwickelte Objektbeziehungstheorie heranzieht. Für den zentralen Müller-Topos „Frau/Mutter“ als ambivalente Gegenkraft zum, oder besser: im Autor und zu Kultur/Geschichte ist das äußerst ertragreich. Staatsmann betont immer wieder den „selbstanalytischen Prozess im Schreiben“, der Dunkelheiten der schmerzhaften Selbstaufklärung umkreist und...