BOSNIEN-HERZEGOWINA
Theater im Transitbereich oder Dionysos auf Dienstreise
von Almir Bašović
Erschienen in: Recherchen 61: Landvermessungen – Theaterlandschaften in Mittel- und Osteuropa (12/2008)
Über das Theater zu schreiben, bedeutet in gewisser Weise, zumindest in der europäischen Tradition, über die Gesellschaft zu schreiben. Das europäische Theater entfaltet sich in dem Moment, in dem die griechische Kultur fähig wird, ihre Werte zu artikulieren. Die griechische Tragödie verweist damit auf den höchsten Mündigkeitsgrad einer Gesellschaft. Die Mündigkeit der griechischen Gesellschaft beweist sich im Gegenzug durch die Institution des Theaters.
Ich weiß nicht, ob uns Platon im SYMPOSION, einer der ältesten Schriften über die Formen des Dramas, darüber belehren will, Aristophanes stehe auf der gleichen Stufe mit Sophokles – die alte griechische Komödie sei genau so wichtig wie die höhere Tragödie. Oder ob er uns einfach die Bedeutung der Komödie vor Augen führen will, als Beweis für das Vertrauen einer Gesellschaft in ihre Werte, die ausgelacht werden dürfen. Leider schlafen wir alle am Ende der platonischen Lektüre ein, zusammen mit Aristophanes. Und trotzdem scheint es kein Zufall zu sein, dass eine der ältesten europäischen Schriften, die verschiedene Arten der Erkenntnis behandelt, zugleich ein Text über das Theater ist.
Im Bewusstsein über das Erbe der prominenten dramatischen Praxis aus dem traurigen 20. Jahrhundert könnte man darüber lamentieren, dass das bürgerliche Theater metaphysische Dimensionen abschafft und die Welt auf...