Quelle 10: Der unzeitgemäße Narr
von Enno Podehl
Erschienen in: Lektionen 7: Theater der Dinge – Puppen-, Figuren- und Objekttheater (10/2016)
Die Lustige Figur im Puppentheater des 18. Jahrhunderts im Spiegel der Zensur – ein phänomenologischer Versuch zu einem Volkstheaterprinzip
Traditionelle Vorwürfe gegen die Lustige Figur
Die Argumente der Aufklärung gegen den Hans Wurst wie die darin enthaltenen Widersprüche der Aufklärung selbst sind ausgiebig in der Theaterwissenschaft diskutiert – angefangen bei Justus Möser. Doch haben sich im Puppenspiel länger als auf der „großen Bühne“ gewisse resistente Kräfte alter Narrenpraxis halten und recht spezifische Auseinandersetzungen provozieren können. Einen Aspekt möchte ich dabei besonders betrachten: die Beziehung der Lustigen Figur des Puppentheaters zur Zeit.
Zur Quellenlage, auf die ich mich im folgenden beziehe: Da gibt es zum einen die Edikte, Verfügungen und Gesetze der staatlichen Organe gegen Landstreicherei, Puppenspiel, unflätige Witze, Widersinnigkeit u. a. Ihr zentraler Standpunkt ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Sie durchziehen das ganze 18. Jahrhundert, indem sie z. B. in Preußen, Braunschweig und Hannover 1718 erstmals in sehr genereller Form herausgegeben werden und in der folgenden Zeit immer wieder Bezugspunkt neuer Verbote und Ermahnungen sind, bis dann am Ende des Jahrhunderts sehr rigorose Verbote ausgegeben werden, die mit Hilfe eines neu organisierten Polizeiapparates (das hatte man von der napoleonischen Besatzung gelernt) auch durchgesetzt werden können.
Von einem dezidiert moralischen...