Wort und Zeit
Theaterverlage in Mexiko
von Edgar Chías
Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: Mexiko (03/2015)
Assoziationen: Nordamerika
Seit zehn Jahren durchlebt Mexiko eine heftige Krise, deren Widersprüchlichkeit faszinierend ist. Öffentliche Diskurse und politische Repräsentationssysteme waren noch nie so schwach wie heute. Die Wirklichkeit scheint auseinanderzubrechen. Auf Stellungnahmen und Reden der Regierungsvertreter antwortet fast unmittelbar ein riesiger, anwachsender Stimmenchor, der aus allen Gesellschaftsbereichen dringt und seinem Misstrauen gegenüber politischen und auch kulturellen Vorgaben Ausdruck verleiht. Paradoxerweise scheint die mexikanische Dramatik gerade jetzt eine ihrer Sternstunden seit den Avantgardebewegungen des letzten Jahrhunderts zu erleben.
Seit dem Jahr 2000 und mit der Entstehung des von Carlos Nóhpal geleiteten unabhängigen Verlags Anónimo Drama (Drama Anonym) ist die Art und Weise, Theatertexte in Mexiko zu publizieren, deutlich in Bewegung geraten. Zu jenem Zeitpunkt besagte die Statistik der Inszenierungen in den wichtigsten Produktionsstätten des Landes – Festivals eingeschlossen –, dass zu 80 Prozent ausländische Autoren und zu 20 Prozent mexikanische Autoren aller Epochen gespielt wurden. Zählt man heute die Premieren in mexikanischen Produktionsstätten, so hat sich dieser Prozentsatz bis 2014 exakt umgekehrt. Das ist auf den nationalen und internationalen Erfolg einer vielköpfigen Autorengruppe zurückzuführen, aber auch und vor allem auf Plattformen, die Öffentlichkeit schaffen. Dazu zählen das Festival de la Joven Dramaturgia (Festival für junge Dramatik, 2003 gegründet), die Website dramaturgiamexicana. com (Mexikanische...