Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass für den Auftakt der Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft (DG) etwa zweihundert fast ausschließlich weiße Menschen aus der deutschsprachigen Theaterlandschaft im kolonialen Prunkfoyer Lully der 1840 eröffneten Oper Gent zusammenkommen, um über strukturelle Zugangs- und Ausschlussmechanismen des Systems Stadttheater nachzudenken. Dass das deutsche Stadt- und Staatstheatersystem in vielerlei Hinsicht reformbedürftig ist, ist spätestens seit der sogenannten „Stadttheaterdebatte“ im öffentlichen Bewusstsein. Der engagierten Arbeit von Pro Quote Bühne oder dem ensemble-netzwerk ist es zu verdanken, dass sich in Sachen Geschlechtergerechtigkeit, verbesserter Vertrags- und Arbeitsbedingungen sowie im Hinblick auf die Durchsetzung von Antidiskriminierungsmaßnahmen derzeit wirklich etwas bewegt.
Mit dem Titel „Common. Allies, Activists and Alternatives in European Theatre“ signalisierte die DG dann auch ihre Absicht, im europäischen Maßstab Impulse für die Gestaltung des Umbaus der Institution Stadttheater zu sammeln. Zwei mögliche Impulsgeber sind das NT Gent und die Opera Ballet Vlaanderen, die die diesjährige Tagung mitinitiiert und mitfinanziert haben. Milo Rau startete 2018/19 mit dem Genter Manifest die institutionelle Erprobung eines „Stadttheaters der Zukunft“, das Strukturen von Stadttheater und freier Szene verbindet und als Landesbühne gleichermaßen für die Region wie auch für ein internationales Publikum Theater macht. Es brauche in der Zukunft „globale, postnationale Institutionen“, so...