Das Kleist-Archiv Sembdner in Heilbronn und sein Direktor Günther Emig haben sich seit Jahren mit Veröffentlichungen unterschiedlicher Art und einer gehaltvollen Internetseite (www.kleist.org) um Kleist verdient gemacht. Ende 2015 ist hier nun auch zu einer selten beachteten, aber aufschlussreichen literarischen Beziehung beigetragen worden: der zwischen Kleists „Amphitryon“ von 1806/07, dem „Lustspiel nach Molière“, und Molières „Amphitrion“ von 1668. Die von Klaus Kanzog herausgegebene „vergleichende Edition“ druckt erstmals so weit und so präzise als möglich beide Stücke parallel; Molière nach den „Œuvres“, Paris 1734, Kleist nach der Erstausgabe, Dresden 1807. Das von Kanzog schon in den 1980er Jahren betriebene Unternehmen hatte viele Hindernisse zu überwinden. Dabei halfen ihm die „französischdeutsche Parallelisierung“ durch Michaela Angermaier und zuletzt die komplizierte „technische Umsetzung“ durch Günther Emig.
Kanzogs Vorwort geht auf die Geschichte des Urteils über beide „Amphitryons“ und ihr Verhältnis zueinander ein, beschreibt die Entwicklung des Editionsprojekts, die Textgrundlage und -gestaltung und wendet sich endlich dem „Erkenntnisgewinn“ einer solchen „synoptischen Übersicht“ zu. Dabei betont er die in Textlücken und -überschüssen auf beiden Seiten sichtbar werdende übersetzerische und dramaturgische Leistung Kleists, der, seiner Zeit angemessen und hier hauptsächlich abweichend von Molière, Alkmene, die Frau, zur zentralen und tragischen Gestalt machte. Kanzog geht dazu...