1 Theaterproben als Untersuchungsgegenstand
von Julia Kiesler
Erschienen in: Recherchen 149: Der performative Umgang mit dem Text – Ansätze sprechkünstlerischer Probenarbeit im zeitgenössischen Theater (09/2019)
1.1 Forschungsansatz, Fragestellungen und Zielsetzungen
Der Fokus neuerer theaterwissenschaftlicher Untersuchungen wird nicht mehr nur auf die Analyse von Inszenierungen und Aufführungen gelegt, sondern zunehmend auch auf die Beobachtung von Probenprozessen. Roselt stellt dabei die These auf, dass auch eine Probe als kulturelle Aufführung, als flüchtiger Vorgang begriffen werden kann, der zwischen mehreren Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattfindet (vgl. Roselt in: Internetquelle 8, 3). Er bezeichnet Proben, ähnlich wie Aufführungen, als kontingente Prozesse, „deren Bedingungen und Abläufe beobachtbar, beschreibbar und analysierbar sind“ (ebd.). Während jedoch eine Aufführungsanalyse beispielsweise einzelne Etappen der Textarbeit nicht rekonstruieren kann, gelingt es durch eine Probenprozessbeobachtung, genau dies zu tun. Aus der Analyse eines Probenprozesses ergibt sich der Vorteil, methodische Erkenntnisse in Bezug auf Strategien und einzelne Schritte der Textarbeit zu gewinnen. Es stellt sich die Frage, mit welchen methodischen Untersuchungsansätzen eine Probe zugänglich gemacht werden kann.
Da es sich bei der Probenprozessforschung um ein Forschungsfeld handelt, das sich erst im Aufbau befindet, kann, zumindest im deutschsprachigen Raum, nicht auf eine langjährige Forschungspraxis bzw. methodische Tradition zurückgegriffen werden. Insofern war auch für die vorliegende Studie, die sich im Feld der Probenprozessforschung bewegt, der Rückgriff auf einen breiten methodischen Erfahrungsschatz nicht gegeben. Jedoch boten Untersuchungsmethoden der ethnografischen Feldforschung methodische...