Magazin
Der Mann aus dem Osten
Im Gedenken an den ehemaligen Detmolder Intendanten Ulf Reiher
von Martin Linzer
Erschienen in: Theater der Zeit: Die Menschenbaustelle – Bühnenexperimente am Bauhaus Dessau (02/2014)
Ulf Reiher, am 1. August 1936 in Weimar geboren, am 30. November 2013 in Halle (Saale) nach schwerer Krankheit gestorben, war der erste DDR-Theatermacher, der es in der alten Bundesrepublik zum Intendanten brachte. Reiher hatte an der Leipziger Theaterhochschule studiert, war Schauspieler in Gera, bevor er 1962 für zehn Jahre nach Senftenberg kam, schon damals eine der lebendigsten, weil von jungen Leuten dominierte Bühne. Er war dort Schauspieler (bis 1965), danach Oberspielleiter (bis 1967), schließlich Intendant (bis 1972).
Die erste Begegnung mit Reiher, die für mein Verständnis dieses Mannes wichtig und prägend war, fiel in diese Zeit. Zum 25. Jahrestag der Gründung des Theaters der Bergarbeiter 1971 hatte Reiher Armin Stolpers „Himmelfahrt zur Erde“ inszeniert, härter und kompromissloser als die hallesche Uraufführung, und er hatte auf der Festveranstaltung eine Rede gehalten. Als ich zum offiziellen Empfang erschien, fand ich einen fast leeren Saal mit einem vollen Buffet vor, den Intendanten und seine engsten Mitarbeiter, die angesagte Kreis- und Bezirksprominenz hatte abgesagt: Der Genosse Reiher hatte sich nicht an die Anweisung gehalten, hatte unangekündigt Sanierungsmaßnahmen am maroden Theater angemahnt. Reiher nahm’s mit gelassenem Humor, vielleicht hatte er die Berufung nach Halle schon in der Tasche.
Dann folgten fünf Jahre Intendanz in...