Kolumne
Das Nagetier in uns
Erschienen in: Theater der Zeit: Glanz und Elend – Shenja Lacher und das Ensemble-Netzwerk über die Zustände am Stadttheater (10/2016)
Assoziationen: Debatte
Angenommen, eine Kritikerin einer führenden deutschen Tageszeitung berichtet in ihrem Blatt über ein Interview, das ein Schauspieler eines führenden deutschen Stadttheaters einer anderen führenden Tageszeitung gegeben hat, und versetzt sich dabei mit Einfühlungsvermögen und mithilfe von Zitaten aus dem Interview in die Situation des Schauspielers, der in der anderen Tageszeitung über sein wehrloses Ausgesetztsein in einem ausbeuterischen und diktatorisch geführten Stadttheater wehklagend berichtet. Angenommen, das ausgearbeitete Fazit der Kritikerin lautet wie folgt: In einer Zeit, in der die Wirtschaft schon längst begriffen hat, dass nicht strenge Maßregelung, sondern vor allem die freie Entfaltungsmöglichkeit der Individualität Kreativität und Produktivität der Mitarbeiter am Arbeitsplatz fördert, würde in den Theatern noch immer das hierarchische System einer vergangenen Zeit umgesetzt, unter herrschaftlich agierenden Intendanten und Regisseuren. Und das Resümee des Schauspielers klänge etwa so: Es bliebe für selbstbewusste Schauspieler und Schauspielerinnen, die sich nicht als Erfüllungsgehilfen, sondern als gleichwertiger Teil der Arbeit an einem gemeinsamen Projekt verstehen möchten, nur mehr der Ausweg Fernsehen. Das Theater also als letztes Refugium überholter Machtausübung, vor dem nur mehr die Flucht bleibt.
Was für Gedanken würden sich da bei mir einstellen, bevor ich das erste Huhn lachen höre?
Ich würde mich wahrscheinlich an meinen ersten Job beim Münchner...