Theater der Zeit

Vorwort

Erschienen in: ixypsilonzett Jahrbuch 2013: Piraten der Performance? – Jugendliche entern die Bühne (01/2013)

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Spielen und spielen lassen. Bis vor Kurzem war die Theaterwelt noch zweigeteilt. Von zwei Seiten der Medaille war die Rede: Theater für Kinder und Jugendliche sowie Theater mit Kindern und Jugendlichen. Hier die Theater-Kunst, dort die Theater-Pädagogik. Es geht aber auch anders. Kinder spielen für Kinder, Jugendliche entern die Bühne. Insbesondere die Theaterarbeit mit jungen Menschen entwickelt sich offensichtlich zu einer vielseitigen Bereicherung der darstellenden Künste. Piraten der Performance? Es ist nicht nur die Eroberung der Theaterlandschaft durch die Zielgruppe, es ist ein künstlerischer Prozess, der da über die deutschen Bühnen geht, es ist ein neues Verständnis von Wahrhaftigkeit und Partizipation. Es wurde aber auch Zeit. Dass der demografische Wandel den artifiziellen Wechsel befördert. Von der Angebotsorientierung zur Teilhabeermöglichung. Als transkulturelles und interdisziplinäres Projekt, als Prozess der kulturellen Selbstverständigung und der ästhetischen Praxis. Für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, für Jugendliche mit und ohne Bildungshintergrund. Aber eben auch immer mit. Für die Herausforderung, Wahrnehmung zu schulen, für die Auseinandersetzung mit Realitäten, die ansonsten nicht so zu Wort kämen, für Substanz, Relevanz und Brisanz durch Erfahrungen – auf, vor und hinter der Spielfläche.

Näher dran sein, das ist die Devise. Wider die Unnahbarkeit des Theaters! Gelegentlich muss sich der Kulturbetrieb dramatisch bewegen. Raus aus dem Musentempel, ran an die Ränder. Theater der Stadt wird zum Theater vor Ort. Versuchsanordnungen der Theatervermittlung waren die Vorläufer; doch die pädagogische Abteilung hat es nur sehr selten ins Zentrum der künstlerischen Leitung geschafft. Jetzt wird die Peripherie zur Agora. Es tut sich was, das Kinder- und Jugendtheater ist vorne dran und mittendrin. Darüber ist zu berichten, das bedarf der Diskussion, und auch die Macher kommen zu Wort. Über die Kunst der Improvisation, über Authentizität als Darstellungsform, über die Experten des Alltags von A wie Akteure bis Z wie Zuschauer.

Alles in einer Publikation. In IXYPSILONZETT. Dem Jahrbuch für Kinder- und Jugendtheater der ASSITEJ. Dem konsequenten Folgeprodukt von „Grimm & Grips“. Nach 25 Jahren haben wir uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiedet. Und das Magazin, das zukünftig weiter drei Mal per annum (im März, Juni und Oktober) erscheint, um eine gewichtige Publikation jährlich im Januar ergänzt. Mit einer Kundengarantie: Alle Premieren, alle Festivals, alle Preise. Ein ganzes Jahrbuch für das Kinder- und Jugendtheater!

Ein Buch für ein ganzes Jahr, ein Nachschlagewerk, eine Diskursplattform, ein kulturelles Gedächtnis der dramatischen Künste für junges Publikum. Zur Auseinandersetzung unter den Theatermachern, zur Kommunikation mit den Kulturvermittlern, zur Überzeugungsarbeit bei den Politikern. Dahinter steckt das Netzwerk der Kinder- und Jugendtheater, die ASSITEJ Bundesrepublik Deutschland, ein Verein, der seit mittlerweile fast 50 Jahren vereint das Ziel verfolgt, mehr und bestes Theater für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen. Auch als ästhetische Erziehung und kulturelle Bildung. Für alle. Mindestens zwei Mal im Jahr. Das erfordert Anstrengungen. Vor allem qualitativ. Und deshalb das Jahrbuch. Verbunden mit einer Bitte: Lesen und lesen lassen. Denn IXYPSILONZETT kann man auch verschenken. An die, die noch nicht wissen, was sich so tut im Kinder- und Jugendtheater.

 

Wolfgang Schneider

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