3.2. Angelos Gartenarbeit
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Der Herzog setzt seinen Stellvertreter Angelo also auf einen Punkt, der in allen wesentlichen Eigenschaften mit dem Geometralpunkt des Pförtchens übereinstimmt. Nur einen entscheidenden Unterschied gibt es: In Angelos Fall geht es nicht darum, ein image herzustellen, das den Raum und die Objekte hinter dem Fenster perspektivisch korrekt abbilden soll. Vielmehr soll hier umgekehrt der aus den Fugen geratene gesellschaftliche Raum nach der »Maß-gabe« eines Idealbildes (neu) geordnet und in diesem Rahmen erhalten werden. Das mit der Figur Angelos verbundene Projekt erscheint insofern als Umkehrung der ursprünglichen Zwecke der Perspektive: Seine Aufgabe ist nicht, einer bildlichen Darstellung Raumtiefe zu verleihen, sondern den Raum zu geometrisieren und das heißt letztlich: ihn zu verbildlichen. Allerdings ist die allzu griffige Formel einer Entwicklung von der Verräumlichung des Bildes zur Verbildlichung des Raumes dahingehend zu befragen, von welcher Vorstellung des Raumes überhaupt die Rede ist – ein Problem, dem sich erst Kapitel VI ausführlicher widmen wird. Hier mag fürs erste die Feststellung genügen, dass diese Umkehrung jenen Abschließungsprozess des Subjekts gegen seine Umwelt voraussetzt, von der im Zusammenhang mit Galileis Höllenvermessung die Rede war. Erst nachdem die kosmische Verflechtung des Menschen mit seiner Umgebung aufgegeben ist, kann letztere zum blind zu bearbeitenden Rohstoff noch...