Radikales
Kurze Notiz zu Fiebachs Brief an Soyinka vom 16. April 1989
von Carena Schlewitt
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
Diesen Brief an Wole Soyinka habe ich kürzlich in meinem persönlichen Archiv gefunden. Mit Erlaubnis von Joachim Fiebach, begleitet von einem kurzen kontextualisierenden Text, wird er hier als historisches Dokument abgedruckt.
Nach der Wahl Wole Soyinkas zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Künste der DDR1 entstand im Rahmen der Aktivitäten der Sektion Darstellende Künste die Idee, den nigerianischen Autor und Regisseur, Nobelpreisträger 1986, zu einem längeren Arbeitsaufenthalt nach Ost-Berlin einzuladen. Bis zu diesem Zeitpunkt war Wole Soyinka lediglich im Rahmen von Werkstattgesprächen Gast der Akademie gewesen.
Diskutiert wurden zwei Varianten: entweder die Realisierung einer Inszenierung an einem Ost-Berliner Theater, idealerweise am Deutschen Theater in Berlin, oder das Angebot einer mehrwöchigen Workshop-Phase für Schauspielstudenten, in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. Erfahrung hatte die Akademie bis dahin lediglich mit kürzeren Workshops, beispielsweise von Benno Besson mit Schauspielstudenten. Ein Versuch, Anatoli Efros aus Moskau für eine solche Arbeitsphase nach Ost-Berlin zu holen, schlug fehl. Die Akademie-Leitung führte als Argument die unsichere sowjetische Situation unter Glasnost und Perestroika an, meinte aber wohl die Unsicherheit des Umgangs der DDR mit Glasnost und Perestroika.
Bezüglich unseres Anliegens an Wole Soyinka bestand zunächst die Aufgabe, das (ost-) deutsche Stadttheatersystem mit seinen Besonderheiten bezüglich Produktion, Spielplan und Schauspielensembles zu erklären. Wole Soyinka war durch seine Theaterarbeit in Nigeria, aber auch in Großbritannien ganz andere Produktionsbedingungen gewohnt. Joachim Fiebach, der bereits vor der Nobelpreisverleihung federführend war, Soyinkas Korrespondierende Mitgliedschaft durchzusetzen, übernahm nun die Aufgabe, Soyinka in die Problematik eines solchen längeren Aufenthaltes – auch in Bezug auf die Auswahl eines Stückes/Stoffes und nicht zuletzt in Bezug auf die Bezahlung in Ostmark – zu erklären. In meiner Erinnerung sind wir gemeinsam zu der Entscheidung gekommen, einen längeren Arbeitsaufenthalt zusammen mit der „Ernst Busch“-Hochschule zu planen. Stattgefunden hat diese Arbeit dann doch nicht, zum einen, weil Soyinka aufgrund einer veränderten politischen Situation zu dem Zeitpunkt in Nigeria bleiben wollte, zum anderen, weil die institutionelle Verunsicherung nach dem Fall der Berliner Mauer unter anderem auch solche Projekte in den Hintergrund drängte.
März 2014
1 Siehe auch Regine Herrmanns Beitrag und die Ernennungsurkunde vom Juli 1986 in diesem Buch.