Meriam Bousselmi – Der Charme der Provokation
von Rolf C. Hemke
Erschienen in: Recherchen 104: Theater im arabischen Sprachraum – Theatre in the Arab World (12/2013)
Die szenischen Arbeiten von Meriam Bousselmi sind in ihrer stilistischen Unterschiedlichkeit so vielfältig und schillernd wie ihr Charakter: Die Regisseurin, Autorin, Filmemacherin und Juristin ist eine erfindungsreiche, handwerklich exakte Interpretin ihrer eigenen Texte. Sie vermag es, hochpolitisch aufgeladene Bilderwelten zu traditioneller tunesischer Musik zu entwerfen. Aber sie scheut sich auch nicht, eine halbszenische Installation zur Frage von Erinnerung und Vergessen in Zeiten des Krieges vorzustellen.
Der internationale Durchbruch gelang Bousselmi im zarten Alter von 28 Jahren, als ihr Text Mémoire en retraite in ihrer eigenen Inszenierung vom Théâtre National Tunisien den Al Qassimi Preis für die beste arabischsprachige Theaterproduktion des Jahres 2011 erhielt. Diese Auszeichnung wurde ihr von einer unabhängigen Fachjury unter Vorsitz des libanesischen Schauspielers und Regisseurs Roger Assaf am Ende des Stücke-Wettbewerbs des Festivals des Arab Theatre Institute in Amman im Januar 2012 zuerkannt.
Verliehen wurde der Preis im Rahmen des Festivals von Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten im März desselben Jahres. Um die Annahme dieses Preises entstand innerhalb der Kompanie des tunesischen Nationaltheaters ein solch absurder Streit, dass Bousselmi ihre Zusammenarbeit mit der größten Bühne ihres Landes aufkündigte. Den Konflikt um die Preisverleihung verarbeitete sie zu einem neuen Stück, Sünde Erfolg, das wie ihr preisgekröntes Stück...