Musizierendes Berlin
Gerhart Puchelt
Erschienen in: Theater der Zeit: Surrealismus und was man dafür hält (12/1946)

Die Familienüberlieferung sagt, daß die Puchelts aus Böhmen stammen. Etwas von dem böhmischen Musikantenblut ist wohl bei mir zum Durchbruch gekommen. 1913 in Stettin geboren, kam ich in meinem musikliebenden Elternhaus selbst schon sehr früh zum Musizieren. Mein Vater führte jahrelang eine Musikalienhandlung und war später Musikkritiker der Stettiner Zeitung. Herkunft und Erziehung ließen mir darum die Musik als künstlerischen Beruf als das einzig Mögliche für mein Leben erscheinen. 1931 bis 1935 studierte ich in Berlin an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik. Besonders die erste Hälfte dieser Zeit war reich an wesentlichsten Eindrücken. Unvergeßlich sind mir vor allem Schnabels Interpretationen der Beethoven-Sonaten und Klemperers Aufführung der Matthäus-Passion. Das Bedürfnis nach eigenem künstlerischen Wirken wurde so stark, daß ich nach beendetem Studium an Stelle der beamteten die freie künstlerische Tätigkeit als Pianist wählte. Seit dieser Zeit habe ich zunächst als Begleiter, dann in wachsendem Maße als Solist überall in Deutschland und in anderen europäischen Ländern konzertiert. Als mein besonderes Streben hat sich dabei immer mehr herauskristallisiert, neben dem selbstverständlichen Dienst am Werk unserer großen Meister allem Neuem aufgeschlossen zu sein.