Theater der Zeit

Magazin

Visionär der Textergründung

Ein Nachruf auf den Regisseur Rolf Winkelgrund

von Thomas Irmer

Erschienen in: Theater der Zeit: Es ist ein Kreuz – Ein Schwerpunkt zur Bundestagswahl mit Luna Ali, Annekatrin Klepsch und Aladin El-Mafaalani (09/2021)

Als Entdecker und Erkunder von großen ­Stücken abseits der Spielplanklassiker hat er zur (ost-)deutschen Theatergeschichte der 1970er und 1980er Jahre Wesentliches beigetragen: der 1936 geborene Regisseur Rolf Winkelgrund. Den polnischen Dramatiker ­Tadeusz Różewicz entdeckte er für das Theater in der DDR – zunächst mit „Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung“ 1975 in Potsdam, wo Winkelgrund auch als Oberspielleiter fungierte. Es folgten „Weiße Ehe“ 1981 am Deutschen Theater in Berlin und schließlich, als dritte bedeutende Inszenierung 1985 am dortigen Maxim Gorki Theater, „Die Falle“ nach Motiven der Biografie Franz Kafkas im Vorschein auf die spätere Nazi-Verfolgung von dessen Familie. Różewicz selbst äußerte sich höchst anerkennend zu diesen Arbeiten, die durch Klarheit und Tiefe bestachen.

Neu erkundet hat Winkelgrund die Welt der Stücke Ernst Barlachs mit zwei Inszenierungen am Deutschen Theater. „Der blaue Boll“ mit Kurt Böwe in der Titelrolle ließ einen den schwierigen Barlach mit einer unvermuteten Leichtigkeit und einem erstaunlichen Humor erleben, die auf der genauesten Auslotung des Texts beruhten. In dieser Hinsicht war Winkelgrund als Regisseur ein Visionär der Textergründung, die er als Fundament des Theaters betrachtete. Drei Jahre später, 1988, folgte mit „Die echten Sedemunds“ eine weitere Barlach-Erkundung in dieser forschenden Suche nach Mehrschichtigkeit.

Winkelgrund konnte indes auch...

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