Ein zweischneidiges Schwert
von Rainer Simon
Erschienen in: Recherchen 101: Labor oder Fließband? – Produktionsbedingungen freier Musiktheaterprojekte an Opernhäusern (02/2013)
Wenn man, wie Eberhard Kloke, die Funktion eines Musiktheaterensembles darin sieht, bestimmte Fächer und Rollen abzudecken, die das traditionelle Repertoire vorgibt, dann liegt die Inkompatibilität mit freien Musiktheaterproduktionen auf der Hand; denn diese lösen sich ja gerade von den traditionellen Repertoirevorgaben. Abstrahiert man allerdings von dieser auf das 19. Jahrhundert zurückgehenden Ensemblepraxis, die heute auch nur noch an wenigen Opernbetrieben vorzufinden ist, so erhält man einen Ensemblegedanken, der sich durchaus gewinnbringend für freie Musiktheaterproduktionen konkretisieren und ausformen lässt. Hierbei stellt sich meines Erachtens insbesondere die Aufgabe, die folgenden Ambivalenzen des Ensemblegedankens ins richtige Verhältnis zu setzen.
David Moss begreift das Ensembleprinzip als „zweischneidiges Schwert“, das einerseits Vertrauen erzeuge, gleichzeitig aber auch zu einer gewissen Introvertiertheit neige. Zweifelsohne ist das Vertrauen unter Darstellern und anderen Produktionsbeteiligten auch für freie Musiktheaterprojekte eine wichtige Grundlage – schafft es doch einen Rückhalt, einen sicheren Nährboden dafür, sich darstellerisch und musikalisch ins Unsichere zu begeben und Fremdes zu erproben.3 Leicht kann dieses Vertrauen aber auch in eine zu große Vertrautheit und eine damit verbundene Verschlossenheit gegenüber externen Impulsen umschlagen. Da das Kennenlernen anderer Künstler, Orte und Ästhetiken eine wesentliche Voraussetzung für freie Arbeit darstellt, kehrt sich das Vertrauen somit ins Nachteilige. Den Ensemblegedanken für...