Magazin
Eine Stimme, durch die Literatur erklingt
Zum Tod des Burgtheater-Schauspielers Ignaz Kirchner
Erschienen in: Theater der Zeit: Haus Rotes Wunder – Die neue Potsdamer Intendantin Bettina Jahnke (11/2018)
Ignaz Kirchner ist nie „millirahmstrudelig“ geworden. Auch nicht nach dreißig Jahren in Wien, einer Stadt, die für ihre charmante Versumpertheit oft gefürchtet wird. Kirchner, 1987 von Claus Peymann ans Burgtheater geholt und dort, ein kurzes Intermezzo in den 1990er Jahren ausgenommen, bis zuletzt geblieben, pflegte im Angesicht der Gemütlichkeit immer das Kantige. „Ich bin Piefke“, bekräftigte der gebürtige Wuppertaler in Interviews des Öfteren seine Wien-Immunität. Unbestechlich war er auch in seiner Kunst, darin, seine Persönlichkeit – oft samt seiner kleinen Nickelbrille – völlig uneitel zur Verfügung zu stellen, sie auszuschöpfen ohne Ego-Show. Kirchner war kein Rampenschwein, sondern ein Schauspieler, der ruhig warten konnte, bis er seine Wirkung tat.
Melancholie war immer dabei. Ignaz Kirchner vermochte der Traurigkeit ein erträgliches Antlitz zu verleihen, den Erniedrigten und Beleidigten eine würdevolle Präsenz zu geben, den Verrohten einen eigenen Stil, den Tollpatschigen gönnte er einen geschickten Handgriff. Da war jede Sekunde spannend, auch wenn sie scheinbar bewegungslos und schweigend verlief. Wie intensiv Kirchners Bühnenarbeit wahrgenommen wurde, mag man daran messen, dass den nun an den Folgen eines Schlaganfalls verstorbenen Schauspieler gar der österreichische Bundespräsident in einem Nachruf würdigte. Über so viel Staatsschauspielerehre würde sich der versierte Thomas-Bernhard-Spieler Kirchner gewiss amüsiert zeigen.
Kirchner, Einzelkind aus...