1.4. Das geometrale Dreieck
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Wie sieht nun Lacans diagrammatische Verbildlichung der geometralen Dimension des Sehens aus? Zunächst einmal ist dieser Modus – deswegen auch Lacans Hinweis auf die cartesianische Meditation – konstitutiv für jene Ebene, auf der das neuzeitliche Subjekt sich gegenüber der Umwelt als »Bewusstsein« wahrzunehmen vermag und dabei zugleich notwendig verkennt (BOa 89). In Seminar XI stellt für Lacan das Subjekt Descartes’ sogar »selbst eine Art Geometralpunkt, Perspektivpunkt dar« (BOa 92) – seine historische Formulierung ist darum notwendig verschwistert mit der Entwicklung der perspektivischen Gesetze seit ungefähr 1400 und mit ihrer schließlichen Herauslösung aus dem Denken der Analogien um 1600. Deswegen spielt aber auch Dürers »Pförtchen« für Lacan eine so zentrale Rolle: Dessen dreiteilige Maschine zur korrekten perspektivischen Erfassung eines Objekts lässt das Subjekt als Produkt einer vorgängigen medialen Apparatur und räumlichen Konstellation lesbar werden (worin es auch einige Ähnlichkeit mit dem Spiegel aus Lacans »Spiegelstadium« aufweist.)30
Auf der rechten Seite also platziert sich das Subjekt, das den Raum bzw. ein Objekt in diesem Raum bildlich erfassen möchte. In diesem Fall ist es ein Zeichner, der die Konturen des links drapierten, gewissermaßen »objektivierten« weiblichen Modells perspektivgenau aufs Papier übertragen will. Der Punkt, den dieses Subjekt sich sucht und an den es sein...