Frühling
von Frank Castorf
Erschienen in: Arbeitsbuch 2016: Castorf (07/2016)
Mein 14-jähriger Sohn fragte mich vor kurzem: „Du Papa, wie ist denn das mit dem Goethe und dem Schiller?“ „Wieso?“, fragte ich. – „Naja, letztes Jahr, ‚Wilhelm Tell‘ von Schiller fand ich ja super. Und jetzt Goethe, sind ja beide geil. Aber Papa, wen von den beiden findest du besser?“ Ich sagte: „Mmh, wir hatten damals die Rolling Stones und die Beatles …“ Er überlegte lange und meinte, er kenne die, beschäftige sich aber lieber mit Videospielen und neuen Medien, die würden ihm mehr entsprechen …
Ich bin immer ein bisschen undankbar. Mich interessiert eigentlich nicht, was Sie hier denken, mich interessieren auch keine Kritiken meiner Arbeiten. Überhaupt interessieren mich andere Leute eigentlich wenig. Es war schon in diesem anderen Land so, dass mich das alles nicht interessierte. Wichtig waren mir aber immer die bestimmten Formen, innerhalb derer man selbst für seine Freiheit verantwortlich sein kann. Das ist etwas ganz Entscheidendes. Deshalb habe ich versucht, anstatt auf die Frage meines Sohnes ordentlich zu antworten, ihm etwas von Schillers Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ zu erzählen. Das fällt mir bei einer Veranstaltung wie dieser ein, die ja immer etwas Harmonisierendes hat und die ja trotz aller Differenzen der Beteiligten...