Schlussmachen
von Pola Groß
Erschienen in: Lektionen 8: Neue Dramatik (10/2025)
Als Schlusspunkt des dramatischen Geschehens kommt dem Ende von Theatertexten eine besondere Bedeutung zu. Aristoteles beschreibt mit Auflösung, Peripetie und Wiedererkennen drei unterschiedliche Arten von Dramenenden, die Französische Klassik lässt die Tragödie zumeist in der Katastrophe, die Komödie in der glücklichen Wendung münden. Das moderne Drama des 20. Jahrhunderts wiederum präferiert das offene Ende, das keine abschließende Auflösung des Konflikts mehr anbietet.1 Trotz seiner besonderen Bedeutung hat sich die Forschung bislang kaum mit dem Dramenende beschäftigt.2 Der vorliegende Beitrag möchte dies zumindest mit Blick auf die jüngste deutschsprachige Gegenwartsdramatik ändern. Vor dem Hintergrund sowohl der historischen Traditionslinien als auch gegenwärtiger politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen fragt er nach aktuellen Tendenzen zu schließen: Wie wichtig sind Gattungskonventionen noch oder wieder? Wie kommen Stücke ohne kohärenten Handlungsablauf zum Schluss? Und gibt es heute überhaupt Happy Ends? Im Folgenden möchte ich drei zeitgenössisch dominante Formen des Endes vorstellen und diskutieren. Im Fokus stehen ausgewählte neuere Theatertexte,3 die durch ihre Themenwahl, Autorschaft und formale Umsetzung unterschiedliche Richtungen der avancierten Dramatik aus den letzten zehn Jahren (2015 bis 2025) repräsentieren. Die Textauswahl muss angesichts der Vielzahl und Vielfalt zeitgenössischer Theaterstücke freilich trotzdem exemplarisch bleiben.
I. Nach der Katastrophe
Auch heute noch ist die...