Editorial
Liebe Leser:innen, liebe Künstler:innen, liebes Publikum,
von Jenny Patschovsky und Benjamin Richter
Erschienen in: re-clowning – Das Politische im Clown (VOICES V) (04/2024)
Clown und Politik. Dieses Wortpaar ist womöglich nicht sofort einleuchtend, aber das ändert sich, sobald wir den Begriff „Clown1“ genauer unter die Lupe nehmen: Gemeint ist sowohl die Figur in ihren unzähligen kulturellen, geographischen, historischen und ästhetischen Erscheinungsformen, als auch all unsere stereotypisierten Vorstellungen und Standardisierungen, die geprägt sind von einer übergriffigen westlichen Rezeption dieser Figur. Nostalgische Bilder und Vorstellungen von Kostümen, Make-up, Spielweisen und Aufführungsräumen sind in der westlichen Clownsrezeption unterbewusst fest verankert. Westliche Werte wurden auf eine Figur übertragen, die ihre Wurzeln auf der ganzen Welt hat. Wenn in der Clownsliteratur häufig geschrieben wird, „der Clown ist eine Weltfigur“2, so impliziert das in der Regel unsere westliche Perspektive auf und Rezeption von (überwiegend weißen männlichen) Clownsfiguren – vom mittelalterlichen Hofnarr über Till Eulenspiegel, Shakespeares Witzbolde bis hin zu Popov oder Charlie Chaplins Tramp – und kaum die aktuellen Erscheinungsformen der Figur der nicht-westlichen globalen Mehrheit, und nur vereinzelt weibliche Clowns. Nehmen wir all diese mit in den Blick und verschließen ihn nicht vor diskriminierenden und postkolonialen Strukturen, wird die Auseinandersetzung zwangsläufig eine politische. Im Clownsbegriff offenbart sich ein komplexes gesellschaftliches Phänomen, das bei näherer Aufschlüsselung sein politisches Potential offenlegt.
Oder vereinfacht gesagt: Clown:innen sind...