Das Interview fand im Mai 1999 statt, am Tag nach der Premiere von Castorfs Inszenierung »Dämonen« nach dem Roman von Dostojewski.
Ist die Inszenierung des Dostojewski-Romans »Dämonen«, Ihre Hommage an die Weiten Sibiriens, ein indirekter Kommentar zum Krieg in Jugoslawien?
Na ja, das Thema ist eher der Krieg jeder gegen jeden. Natürlich geht es um die Angst vor dem Einbrechen der westeuropäischen Dekadenz. Populär ist das, was die Dämonen sind, Dr. Mabuse. Es muss diese Gesellschaft in ihrem Sexualhaushalt, in ihrem politischen, ökonomischen Haushalt überführt werden in einen permanenten Krieg in allen Abteilungen des gesellschaftlichen Lebens. Erst nach dieser extremen Auflösung kann man das Glück finden. Das ist eine Perspektive, vor der Dostojewski warnt. Der Einzige, der das im Roman übersteht, ist der Westler Werchowenski. Am Ende steht er im weißen Anzug am Bahnhof und fährt in die Schweiz, in den Westen. Alle anderen sind tot oder wahnsinnig. Dostojewski ist interessant für mich als Ostler, dem die Ostalgie nicht mehr reicht. Mit der DDR kann ich sie nicht mehr befriedigen, also muss die Droge stärker sein, und die findet man in Osteuropa. Ich habe das Gefühl, dass der Krieg der Nato in Jugoslawien ein Krieg um die russische Westgrenze ist....