„Die Bilder übermalen sich“, so lautet ein Satz, den Christoph Schlingensief häufig gebrauchte und den er auch kurz vor seinem Tod, in einem Blogeintrag vom 7. August 2010, noch einmal variierte. Die Bilder übermalen sich – das gilt natürlich auch zwei Jahre später und umso mehr, als inzwischen einiges Neue an Material veröffentlicht worden ist. Zum Beispiel das Buch „Ich weiß, ich war’s“, herausgegeben von Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz, eine Transkription von Tonbändern mit Lebenserinnerungen. („Tonband“ – so steht es im Vorwort: ein schöner Anachronismus, der darauf verweist, wie wichtig für Schlingensief seine Anfänge mit Medien à la Super 8 immer geblieben sind.)
Nun hatte Schlingensief, so Laberenz, die Bänder nicht besprochen, um eine Autobiografie vorzubereiten, sondern um beim Erinnern vergessen und damit vielleicht auch neu anfangen zu können – auch dies war also ein Übermalungsprojekt. Herausgekommen ist freilich doch eine Art Autobiografie, wenn auch eine, die sich nicht um die Phantasmen der Chronologie und der Vollständigkeit schert, dafür allen möglichen Assoziationen folgt und dabei auch noch Platz für wunderbar boshafte Spitzen findet, gegen die Zwangsboheme am Prenzlauer Berg etwa oder, natürlich, das Stadttheater samt journalistischem Anhang. (Insgesamt ist Schlingensiefs Ton allerdings versöhnlicher als früher, was nicht heißt, dass er...