Verstelltes Dasein, richtiggestellt
von Wolfgang Engler
Erschienen in: Authentizität! – Von Exzentrikern, Dealern und Spielverderbern (03/2017)
Die Verwandlung sozialer Zwänge in Selbstzwänge des Verhaltens bedeutet an sich keine Vergewaltigung der menschlichen Natur. Menschen wollen aus sich heraus, mit ihresgleichen wirken, ringen, fechten und setzen sich dergestalt dem Ehrgeiz und, wer weiß, dem Übelwollen anderer aus. Damit möglichst schadlos klarzukommen, bedarf es einer Rüstung. Der Mensch in der Rüstung ist nicht mehr derselbe wie zuvor. Er moderiert sein Innerstes, gerade wenn er freundlich lächelt, womöglich ist er in Wahrheit übler Laune, hält andere auf Abstand. Kann er in dieser sozialen Aufmachung noch der sein, der er „wirklich“ ist? Durchaus, denn Zurüstung für den gesellschaftlichen Auftritt bildet einen Grundzug seines Wesens. Er wird in seiner sozialen Rolle desto näher bei sich sein und bleiben, je mehr seine Dispositionen der Position entgegenkommen, die er einnimmt. Eine Rolle wahrzunehmen, in der man selber eine Rolle spielen kann, verstärkt das Passgefühl. Sofern könnte Toni richtigliegen, wenn er sich in seiner Rolle aufgehoben, dem Zwang, sich zu verstellen, überhoben sieht. Andere Seiten seines Wesens auszukosten, bleiben Raum und Zeit genug. Im vollen Wortsinn „wirklich“ ist er, sind wir allein im Wechsel der Haltungen zur Welt.
Irrtum, Verkennung setzen ein, sobald wir meinen, unser ganzes Wesen passe zu einer Rolle, einer Funktion, der...