„Berühmter Roman“, „ziemlich dickes Teil“, „irgendwas mit Kindfrau“ – nein, wirklich inspirierend klingt das nicht, was da im Bühnen-Off bei einer „Konzeptionsprobe“ gebrainstormt und dahergelabert wird. Doch in dem entspannten Anfangsgeplänkel verschnarchter Ahnungslosigkeiten, mit denen uns Christopher Rüping in den Plot reinziehen will, kommt bald die Rede auf das zentrale Verhältnis zwischen dem 36-jährigen Literaturdozenten Humbert und der zwölfjährigen Dolores, genannt Lolita. Jemand spricht unbedachterweise von „Liebesbeziehung“ – was im Kollegenkreis der „Probe“ sofort heftige Diskussionen auslöst. Und schon sind wir mittendrin im „Lolita“-Komplex. Worum geht es wirklich? Um Liebe, um Kindesmissbrauch, um Wahnvorstellungen, um eine Schauerstory, um Fantasie, um eine fatale Obsession?
Die „Lolita“ des Russen Vladimir Nabokov, geschrieben zwischen 1955 und 1957 im französischen, später US-amerikanischen Exil, gilt als Skandal-Roman. Hoch gelobt von den einen, in den Augen anderer nur „hemmungslose Pornografie“. Längst hat sich über dem Werk ein Riesengebirge an Lesarten und Deutungen aufgetürmt. Und wie so oft: Viele empören sich über ein Buch, dessen Inhalt sie gar nicht kennen. Rüping inszeniert aber nicht den Roman, sondern das Drehbuch, das Nabokov für Hollywood-Regisseur Stanley Kubrick geschrieben hatte – der es indes mit sieben Stunden Spieldauer für unrealisierbar hielt und für seinen Film, der 1962 in die Kinos...