6.4 Bricolage
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Improvisation hat im alltäglichen Sprachgebrauch noch eine weitere Bedeutungsschattierung: Sich mit dem zu behelfen, was gerade zur Hand ist. So galten die Ostdeutschen zu den Zeiten der DDR, als Mangel an Material auf hohe technische Fähigkeiten traf, als große Improvisierer. In Kleingärten, am eigenen Auto, bei der Wohnungs-Dekoration und sogar in der industriellen Produktion wurde in diesem Sinne improvisiert.44 Aus dem Französischen haben wir dafür das Wort Bricolage importiert.
Als Theater-Improvisierer brauchen wir einen Schuss Bricolage. Wir begnügen uns mit dem, was gerade vorhanden ist, mit unseren Partnern, unseren aktuellen (begrenzten) Fähigkeiten, unseren technischen Möglichkeiten, dem unklaren Angebot unseres Mitspielers, seinem Blockieren und seinen Eigenheiten. Wenn man den Szenen dann das Selbstgemachte, Unperfekte ansieht, so ist das keine Schande, sondern Teil dessen, was Improvisation überhaupt ausmacht. Das heißt nun nicht, dass wir einen Umkehrfehlschluss ziehen sollten und absichtlich schludrig spielen sollten, wie um zu „beweisen“, dass wir improvisieren. Vielmehr nehmen wir die kleinen Stolperer, Versprecher und Missverständnisse freudig in Kauf. Sie sind Teil unserer Improvisation, so wie der Bastler weiß, dass der Ursprung seiner Bastelei noch sichtbar ist.
Theater (auch das gescriptete) ist nur eine künstlerische Repräsentation oder Interpretation des Lebens, nie aber seine reale Darstellung. Kein Zuschauer wird...