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Erschienen in: Letzter Vorhang (05/2017)
Durch die verträumte Schattenlandschaft des Baus drang Carmen Meisslers an Hildegard Knef erinnernder Alt und machte auffällig beschwingt darauf aufmerksam, dass in einer Stunde die Vorstellung beginnen würde. Mit kalten Fingerspitzen massierte ich das rechte Lid. Richtete ich meinen Blick längere Zeit auf ein und denselben Punkt, begann es widerwärtig zu zucken. Von diesem wunden Punkt musste ich jetzt wegkommen.
Theateraufführungen fangen nicht zu Vorstellungsbeginn an, sondern eine Stunde vorher. Eine im gesamten Haus über Lautsprecher verbreitete Ansage des Inspizienten, in unserem Falle der Inspizientin, gibt das Startzeichen. Musste ich selbst auf die Bühne, ließ ich den Lautsprecher im Büro an und verfolgte so den Vorstellungsverlauf. Auf Matze würde auch heute Verlass sein.
In etwa zwanzig Minuten hatte ich in die Garderobe zu gehen, die ich mit Budera, Wilhelm und Settini teilte. Schwarzer, der Ankleider, würde Häuptling Bromdens weinroten Trainingsanzug an den dritten Haken neben der Tür gehängt haben, der für mich reserviert war. Nach dem Umziehen würde ich in die Maske gehen und von dort wahrscheinlich zum Inspizientenpult, wo außer Carmen auch Leitterfeldt als Abendspielleiter herumhantieren würde.
An sich waren diese Durchsagen eine sehr wertvolle Einrichtung. Carmen genoss sie förmlich. Sie wusste, wie sexy sie rüberkam, und zelebrierte ihre...