Rituale der Erinnerung. Lichtfest Leipzig
von Torben Ibs
Erschienen in: Recherchen 109: Reenacting History: Theater & Geschichte (02/2014)
Das Lichtfest in Leipzig, zum ersten Mal 2009 durchgeführt als Erinnerung an die Montagsdemonstrationen des Jahres 1989, kann als modernes Ritual zur Selbstvergewisserung und Schaffung von kollektiver Identität gesehen werden. Zugleich erzeugt es eine diskursive Ordnung, die das Gedenken tagespolitisch vereinnahmt. Es ist in eine sehr spezifisch modern-aufklärerische Geistesgeschichte eingebettet und dient zur Formung gesellschaftlicher Diskurse in Stadt- und Mediengesellschaft. Dabei greifen das Lichtfest und seine Macher – etwa im Motiv des Lichts oder der Gestalt der Prozession – auf überkommene, geradezu archaische Requisiten zurück.
Das Lichtfest 2009
Dieser Artikel betrachtet das Lichtfest, das am 9. Oktober 2009 zum zwanzigjährigen Jubiläum der Montagsdemonstrationen in Leipzig stattgefunden hat. Die Veranstaltung, an der mehr als 100 000 Besucher teilnahmen, bezieht sich konkret auf die Demonstration vom 9. Oktober 1989, als in Leipzig mindestens 70 000, nach neueren Schätzungen aber eher 130 000 Menschen gegen die SED-Herrschaft auf die Straße gingen.1 Die Demonstrationsroute ging einmal um den Leipziger Ring, der die Innenstadt umschließt und an dem auch die Stasizentrale, die so genannte ‚Runde Ecke‘, lag. Die historischen Bilder dieses Umzugs sind Teil des kollektiven Gedächtnisses zur Friedlichen Revolution im Herbst 1989. Veranstalter des Lichtfests ist die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH....