Im Prolog seines neuen Buches erinnert Gunnar Decker daran, dass auch Jürgen Habermas im November 1991 in einem Brief an Christa Wolf in die Fanfare der Sieger der Geschichte stieß und behauptete, die Zerstörung der Idee des Sozialismus durch den real existierenden Sozialismus sei „für die geistige Hygiene Deutschlands fataler gewesen als das Erbe des Nationalsozialismus“. Daraus konnte nur folgen, dass die Einwohner dieses Landes sich in Quarantäne zu begeben hatten, bis ihre geistige Gesundung wiederhergestellt war. „Folgt man dieser Logik heute“, schreibt Decker, „dann muss man den aufgeklärten Westen nur immer weiter in den Osten ausdehnen – derzeit ist er bis an die Ostgrenze der Ukraine gekommen.“
Dieser Kommentar macht deutlich, dass es sich bei der „Zeitreise durch die späten Jahre der DDR“ nicht nur um ein Erinnerungsbuch handelt, sondern um Erinnerungen an die Zukunft. Denn die Konflikte, die sich heute in ganz Europa zuspitzen, wurzeln auch in den ungelösten Widersprüchen und Fehlentscheidungen jener Jahre.
Deckers Zeitreise führt von der Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 bis zur Veröffentlichung des letzten Teils von Heiner Müllers „Wolokolamsker Chaussee“ im Januar 1988. In kurzen und erhellenden Kapiteln zeichnet der Autor die wichtigsten Entwicklungen in Literatur, Theater, Film und Politik in der...