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Kunst
Auf Umwegen
Erschienen in: Theater der Zeit: Philipp Hochmair: Ein Mann, alle Rollen (11/2013)
Der Maler Luc Tuymans war nicht einmal 20, als ihm blitzartig bewusst wurde, dass so etwas wie Originalität gar nicht existiert. Alle Bilder seien Fälschungen, weil alles, was sie abbilden, bereits vorhanden sei. Fortan begreift er seine Arbeiten als „authentische Fälschungen“, indem er malt, als stammten sie aus einer anderen, vergangenen Zeit. Höchst umstritten sind seine Bilder, als er eine restaurierte Gaskammer mit Verbrennungsofen von einer Postkarte aus dem Museumsshop in Auschwitz abmalt und Albert Speer als strauchelnden Skifahrer abbildet. Seinen Bruch mit der bisher geltenden Erinnerungsästhetik begründet er damit, dass „der Schrecken nicht der einzige Zugang in die Perversion des Grauens“ sein kann. Tuymans’ Bilder und Gemäldezyklen sind „Nach-Bilder“ von historischem Ansichtsmaterial aus Illustrierten und privaten Familienarchiven. Sie suggerieren uns den Horror als das Normalste von der Welt. Der 55-jährige Belgier gilt als Meister des emotionalen Grauens, weil in Bildkunstwerken selten so deutlich geworden ist, dass der Holocaust und seine Folgen weder vorstellbar noch darstellbar sind. In seinen nebelverhangenen, gleichsam schwebend gemalten Bildern ist offensichtlich, dass sich unsere Erinnerungen in einer Art Auflösung befinden, dass wir sie nicht mehr fokussieren können. Sollten wir das verdrängen? Oder die Geschichte als Teil unserer Kultur verstehen, wie es der Künstler vorschlägt? Von...