Wo sonst könnte man die 1993 in Oldenburg geborene Annemarie Brüntjen wohl eher antreffen als am Mannheimer Rheinufer? Seitdem wegen Corona nun auch das Theater lahmgelegt und die Zeit neu zu organisieren ist, gehören die schmalen Auen entlang des Flusses zu ihren bevorzugten Spazierorten. Inmitten der kurpfälzischen Sechziger-Jahre-Architektur findet das Nordlicht zumindest dort das ersehnte Wasser vor. Nicht leicht sei ihr der Ortswechsel gefallen. Ausgebildet an der Berliner Ernst-Busch-Schule, verschlug es sie zunächst an das Berliner Ensemble, das Neue Theater Halle, anschließend an das Renaissance Theater Berlin, bis sie 2019 ihr Engagement am Nationaltheater Mannheim annahm.
Sich an neue Situationen anzupassen, hat sie allerdings durch ihren vielfältigen Beruf ohnehin gelernt. Was sie daran schätzt, ist die gezielte Verwandlung in das ganz Unbekannte. „Spannend ist natürlich die große Entfremdung“, wie sie Brüntjen etwa in ihren Rollen als rachsüchtige Kriemhild in „Die Nibelungen“ (Neues Theater Halle) oder zuletzt als Kassandra in der von Philipp Rosendahl realisierten „Orestie“ (Nationaltheater Mannheim) erlebte. „Reifer und reicher“ werde sie durch die Erarbeitung ihr persönlich nicht nahestehender Charaktere, sagt sie. Es gelte dabei zum einen, das „innere Kind wiederzuentdecken“, und zum anderen den befreienden Impuls zu suchen und bewusst „aus dem eigenen Ich herauszutreten“.
Motivation für das...