Psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten über das Theater der Jungen Welt Leipzig
Erstellt vom Unterzeichner auf Ansinnen des Intendanten Herrn Jürgen Zielinski
von Moritz Heepe
Erschienen in: 70 Jahre Zukunft – Theater der Jungen Welt Leipzig (03/2017)
Anamnese:
Die Vorstellung erfolgt bei dem unklaren Verdacht auf psychische Alterserscheinungen anlässlich des 70. Geburtstags. Patient in der DDR aufgewachsen und dann als junger Erwachsener erfolgreich ins vereinigte Deutschland integriert. Arbeitet immer noch hart, oft auch bis in die Abendstunden, partnerschaftlich seit Jahren promiskuitiv lebend, dabei seit langem völlig der Theaterkunst verfallen, nebenbei aber auch sozial engagiert.
Bislang wurden keine professionellen psychiatrisch-psychotherapeutischen Hilfen in Anspruch genommen.
Psychischer Befund:
Freundlich und entgegenkommend im Kontakt, sich oft betont kindlich-jugendlich gebend. Auffällig um eine starke Wirkung auf Andere bemüht. Dabei ausgesprochen humorvoll, gelegentlich aber auch recht dramatisch auftretend. Wach, zu allen Qualitäten voll orientiert, gesteigerte ungerichtete Aufmerksamkeit, keine nennenswerten Gedächtnisstörungen (außer retrograden Amnesien zu manchen Premierenfeiern …), im Denken geordnet, dabei zeitweilig durchaus weitschweifig, manchmal geradezu redselig, in einen jugendlichen Jargon verfallend. Keine Wahnideen oder Sinnestäuschungen, aber offenbar eine blühende Fantasie. Keinerlei Ängste oder Zwänge, eine zwischen fröhlicher Sorglosigkeit und gedankenschwerer Ernsthaftigkeit schwankende Grundstimmung, mit gelegentlichen fast enthemmt zu nennenden Ausbrüchen kindlicher Freude. Ruhelosigkeit und gesteigerter Antrieb, rastloses Projekteschmieden. Nicht selbst- oder fremdgefährdend, aber lautstark, zeitweilig geradezu frech und höchst unkonventionell im Gebaren.
Diagnose:
Psychisch kerngesund bei sozial adaptiven infantil-histrionischen Persönlichkeitszügen.
Therapieempfehlung:
Weiter so! Regelmäßige Aufführungspraxis! Reichlich Publikumsbesuche, im...