Zu Beginn muss Karl Heinz Bohrer, dieser Solitär im Befragen von philosophischen Motiven der Literatur, erst einmal sagen, welche Art Hass für seine Untersuchung relevant ist und welche nicht. So konstatiert er das Ungenügen eines „aggressiv aufständischen Willens“. Schönheit gehöre zur Poesie. Es gehe ihm nicht „um den Hass als politisch-weltanschauliches Gebräu, sondern um seinen Ausdruck als ein Mittel intensiver Poesie“. Bohrer sucht das Kraftzentrum von Dichtung.
Hass ist gewiss eine elementare emotionale Kraft, ein Mittel der Verwandlung, ebenso wie die Liebe. Frank Castorf etwa nahm Louis-Ferdinand Célines „Reise ans Ende der Nacht“ vor allem unter der Perspektive des Hasses wahr – als gewaltige Ausdruckssteigerung: Unbedingtheit an der Schwelle zur blindwütigen Aggression. Das trifft sich thematisch mit früheren Arbeiten Bohrers, etwa seiner großen Studie zu Ernst Jüngers „Ästhetik des Schreckens“, seinen Überlegungen zur Problematik der Romantik als modernes Bewusstsein, dem er dann Einzelstudien etwa zur „Plötzlichkeit“ widmete. Hass hat etwas mit Erhitzung zu tun, mit Kontrollverlust auch – und wenn sich dieser schließlich doch in einen starken ästhetischen Ausdruck verwandelt, dann umso wirkungsreicher.
So unternimmt Bohrer einen thematisch anspruchsvollen Rundgang durch die Literaturgeschichte, von den „Hass-Reden in Shakespeares Dramen“ über Kleist, Baudelaire, Strindberg bis zu Sartre, Handke, Jelinek und Houellebecq....