Inszenieren in Raum und Zeit
Darstellende Kunst als Gesamtkunstwerk
von Julia Cloot
Erschienen in: Poesie, Heimat und Politik – Theater Willy Praml (05/2024)
Das Verhältnis von Kunst zu dem Raum, in dem sie sich ereignet, gehört zu den ästhetisch interessantesten Relationen im Gefüge von Konzeption, Kunstschaffenden, Rezipientinnen und Rezipienten. In musikalischen Werken wird der Raum seit Jahrhunderten immer wieder mitgedacht oder ist sogar Teil der Werkidee – ein Prinzip, das sich inzwischen in allen Künsten finden lässt. Dabei wirkt nicht das Kunstprojekt bestimmend auf den Ort, sondern der Ort selbst, „mit all seinen Geschichts- und Gegenwarts-Konnotationen wird Teil des künstlerischen Materials“.1
Ähnlich wie das klassische Konzert seit Jahrzehnten aus den geschlossenen Konzerträumen herausdrängt, suchen sich Theaterschaffende neue Räume außerhalb der angestammten Theatersäle für ihre Arbeiten. Insbesondere Marc Augés im Zuge von Urbanisierung und globaler Mobilisierung entstandene „Nicht-Orte“, Basis für seine Theorie des Un-Orts, an dem der Mensch eigentlich ungern verweilt, werden zu kostbaren Schätzen für die künstlerische – ortsbezogene – Arbeit. Diese Un-Orte können als Zeugnisse einer verloren gegangenen Verortung ebenso interpretiert werden wie als besondere Plätze von verborgener Schönheit, die der Wiederentdeckung – etwa durch ortsbezogene Kunstprojekte oder theatrale Arbeiten – harren.2
Das Theater Willy Praml produziert seit mehr als 20 Jahren seine Inszenierungen an einem solchen kostbar gewordenen Un-Ort, in der Frankfurter Naxoshalle, in einem eigentlich kunstfremden Raum, dessen...