Der Raum als Einladung
Der Zuschauer als Ort der Kunst
von Heiner Goebbels
Erschienen in: Recherchen 96: Ästhetik der Abwesenheit – Texte zum Theater (08/2012)
In dem Roman Die Jalousie oder die Eifersucht von Alain Robbe-Grillet – die französische Sprache und der Titel des Originals kennen nur ein Wort für beides: „La Jalousie“ – ist immer nur vom Sonnenschutz in einem Landhaus die Rede, nie von der Eifersucht. A…, die Gattin des Erzählers, beabsichtigt mit Franck, einem Freund des Hauses, in die Stadt zu fahren, um Einkäufe zu machen. Sie hat nicht genau gesagt, welche. Wir wissen auch nicht, ob sie wie angekündigt spätabends in das Landhaus zurückkehren wird; vielleicht kommt ja auch etwas dazwischen. Diese Unklarheit beunruhigt den Leser, auch wenn – oder gerade weil – der Gatte/Erzähler/Beobachter kein Wort über sich und seine Gefühle verliert. An dem Punkt, an dem sich alle Vermutungen verdichten, ohne ausgesprochen zu sein, in den Kapiteln 6 und 7 des Romans, ist auf einmal alles leer:
„Nun ist das Haus leer.“
„Unterdessen ist das Haus leer.“
„Die Terrasse ist gleichfalls leer.“
„Der Hof ist leer.“
„Das ganze Haus ist leer. Es ist leer seit dem Morgen.“
„Wenn das Schlafzimmer leer ist, besteht gar kein Grund, die Jalousien nicht zu öffnen.
„Die Terrasse ist ebenfalls leer.“1
Gerade die Leere der Räume – die zuvor noch von A…, ihren...