6. Postmoderner Absolutismus
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Angelo versucht also, die symbolische Kastration zurückzunehmen und mutiert darüber zu einem phallischen Horrormonster. Was geschieht nun in dem Moment, in dem der Herzog zurückkehrt, den Stellvertreter (und mit ihm eine ganze Reihe anderer Figuren) richtet und das Ruder des Staates als »guter« Herrscher wieder übernimmt?
Um die Herrschaftsform zu verstehen, die sich zusammen mit dem herzoglichen »Comeback« inthronisiert, ist es nützlich, noch einmal einen Blick in Machiavellis »Fürsten« zu werfen. Im 18. Kapitel seines Buches findet sich eine Beschreibung, die sich punktgenau auf die beiden Typen von Souveränität beziehen lässt, für die Angelo und der Herzog stehen können. Der Fürst wird dort als Mischwesen aus Mensch und Tier (bestie) dargestellt, wobei das Tier wiederum in zwei Modi gespalten ist, in »Löwe« (lione) und »Fuchs« (golpe).67 Ein kluger Fürst muss beide Modi in unterschiedlichen Kontexten anzuwenden wissen. Der Löwe steht dabei für eine Form des Regierens, die auf direktem Weg und mit aller Kraft auf ihr Ziel losgeht. Er operiert unter den Augen der Öffentlichkeit, erscheint als heldenhaft und stark, ist in der Lage, »die Wölfe zu schrecken«.68 Als öffentliche Figur muss sein Handeln allerdings so weit wie möglich konform mit dem Gesetz gehen. Der Fuchs hingegen arbeitet im Verborgenen....