4 Fazit: Aspekte performativer Situationsanordnungen
von Julia Kiesler
Erschienen in: Recherchen 149: Der performative Umgang mit dem Text – Ansätze sprechkünstlerischer Probenarbeit im zeitgenössischen Theater (09/2019)
Vergleicht man die drei Produktionen miteinander, so lassen sich einige Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten in Bezug auf konzeptionelle Situations- und Figurenaspekte feststellen, die zu einem erweiterten Verständnis für Situations- und Figurenvorstellungen im zeitgenössischen Theater führen. Das Gerüst einer Situation lässt sich nur mit dem Fragebündel „wer, warum, was, wozu, wie, wann und wo?“ bestimmen (Ebert 1999, 123). Auf diese Fragen geben die drei untersuchten Probenprozesse unterschiedliche Antworten. Sie führen hin zur Definition einer performativen Situationsanordnung im zeitgenössischen Theater.
4.1 Präsenz der Schauspielerinnen und Schauspieler versus Repräsentation von Figuren
Die Frage nach dem Wer lässt sich in der Arbeit von Chétouane mit einem „Ich“ bzw. mit der Person des Schauspielers oder der Schauspielerin beantworten. Die Schauspieler/-innen stellen keine Figuren dar, sondern werden in ihrer Persönlichkeit sichtbar. Zwar können in der Wahrnehmung Figuren bzw. Figurenfragmente entstehen, aber darüber entscheiden letztlich die einzelnen Zuschauer/-innen. Auch die Laien in der Produktion von Volker Lösch entwerfen keine Figur, die von ihnen wegführt, sondern verbleiben in einem „Ich-Status“. Hingegen agieren die Studierenden des Chors 2 sowie die Schauspielerinnen und Schauspieler als Figuren. Löschs Produktion geht von drei Figurenkonzepten aus: einem repräsentativen (die Figuren des Stücks Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch werden von Schauspielerinnen und...