Quelle 18: Der Fall Jarry
von Guido Hiß
Erschienen in: Lektionen 7: Theater der Dinge – Puppen-, Figuren- und Objekttheater (10/2016)
Die symbolistischen Aufbrüche tendieren zum Paradox. Von der Welt fliehend, werden neue Dimensionen ihrer Wahrnehmung erprobt. Die Abwendung vom Sinn der Wörter legt ihre Lautlichkeit, ihre immanente Musikalität frei. Und selbst die Verachtung der Körper arbeitet ihrer Neudefinition zu. Der Körper auf der Bühne verweist nicht mehr auf Hamlet oder den Fuhrmann Henschel. Er soll zur Marionette werden, soll womöglich verschwinden: Mit Gaze-Vorhängen verschleiert, in mönchischen Kutten verborgen, müde murmelnd, behauptet er sich allenfalls als Problem. Was aber – wenn Gott nicht kommen will? Wenn die aus ihren Außen-Referenzen entlassenen Signifikanten nicht die Schwingungen einer inneren Welt einfangen? Wenn sich in das leere „Gefäß“ keine höhere Essenz ergießt? Wenn das Erhabene ausbleibt, bleibt der Körper auf der Bühne übrig. Als erotisches Objekt macht er einem Theater, das auf Ausstattung, Schaureiz und Amüsement setzt, nicht das geringste Problem. Als Lautsprecher dient er problemlos dem Dichterwort. Als Gegenstand der Schau- oder der Wortlust gehört er selbstverständlich dazu. Leider liegen die Symbolisten sowohl mit dem Eros als auch dem Logos im Krieg. Der aus allen Konventionen entlassene Körper steht verlegen im Raum. Er fühlt sich verlassen. Er friert und versucht sich zu verbergen. Wie soll er gegen sich selbst agieren? Er hat...