1 Jenseits der Aufführungsanalyse
von Florian Evers
Erschienen in: Recherchen 139: Theater der Selektion – Personalauswahl im Unternehmen als ernstes Spiel (11/2018)
Erweiterte Personalauswahlverfahren mit theatralen Komponenten – Rollenspielmodule im Assessment oder Development Center – lassen sich, so wurde in den vorangehenden Kapiteln dargelegt, als Ereignisse beschreiben, in denen Menschen an einem bestimmten Ort für eine bestimmte Zeit in leiblicher Kopräsenz aufeinander treffen und Handlungen vollziehen, die eine spezifische Bedeutung hervorbringen.1 Diese Bedeutungen wurden nicht zuvor andernorts festgelegt. Unter den Teilhabenden lassen sich ausgebildete Akteure, nicht-professionelle Mitspielerinnen, involvierte Zuschauerinnen und Spielleiterinnen identifizieren, die zeitweilig die Rolle von Beobachtern hervorgehobener Handlungen der jeweils anderen einnehmen. Mit Körper und Stimme werden Zeichen hervorgebracht, die sowohl performativ etwas Neues kreieren als auch als repräsentativ für eigentliches Handeln interpretiert werden. Es gibt einen Grad von Selbstreferentialität, aber auch von ‚Als-ob‘ und Fiktionalität in den Spielhandlungen. Der Liveness-Charakter, die Teilimprovisation und die Dynamik zwischen den zeitweiligen Zuschauerinnen und den Spielerinnen schaffen einen Raum für Kontingenz und Emergenzen. Durch den agonalen Charakter des Spiels wird die Darstellung zum Vergleichs- und Messinstrument. Anhand der erbrachten performativen Leistung entscheidet sich der Zugang zur privilegierten Teilhabe2 nicht nur an Unternehmen, sondern auch an staatlichen Institutionen, Förderprogrammen und Ausbildungen.
All diese, in den vorangehenden Kapiteln beleuchteten Kriterien erscheinen hinreichend, um die Diagnose zu stellen, dass es sich bei den...