Theater der Zeit

Essay

Eigentümlich, dass es um die Sache nicht stille werden kann

Oskar Schlemmers Triadisches Ballett

Die Kulturwissenschaftlerin, Tanzhistorikerin und Kuratorin Ulrike Wörner von Faßmann setzt sich für double mit Oskar Schlemmers Triadischem Ballett auseinander und reflektiert einerseits über dessen revolutionäre Verbindung von Tanz, Raum und Form in der modernen Bühnengestaltung und andererseits über die Neufassung von Gerhard Bohner. Wörner von Faßmann untersucht, wie Schlemmers Triadisches Ballett in verschiedenen Epochen und Kontexten immer wieder neu interpretiert wird, Stichwort Reenactment, wobei der Entstehungsprozess, die ursprüngliche Idee und aktuelle Diskurse kritisch reflektiert und integriert werden.

von Ulrike Wörner von Faßmann

Erschienen in: double 50: Same, same but different – Reenactment im Figurentheater (11/2024)

Assoziationen: Tanz

Bayerisches Junior Ballett München, Das Triadische Ballett, Rekonstruktion Gerhard Bohner (UA 1977), Drahtrock und Goldkugeln, 2014.
Bayerisches Junior Ballett München, Das Triadische Ballett, Rekonstruktion Gerhard Bohner (UA 1977), Drahtrock und Goldkugeln, 2014.Foto: Wilfried Hösl

Mit kritischem Blick auf die Tanzlandschaft seiner Zeit schlägt der bildende Künstler und spätere Bauhaus-Meister Oskar Schlemmer 1922 mit dem Triadischen Ballett seine Vision einer neuen Tanzkunst vor, die durch Ganzkörpermasken die künstlichen Mittel1 des Tanzes in den Vordergrund rückt und die Körper geradezu hinter den Kostümen zurücktreten lässt. Dem Geist der Zeit entsprechend den „Neuen Menschen“ auch im Tanz suchend, erscheint Schlemmer die Maskierung als Vehikel für Inhalte der Erneuerung und der Betonung des Künstlichen. Statt die Bewegungen aus Impulsen des inneren Seelenlebens abzuleiten oder die Perfektion der klassischen Technik zu erfüllen, geben hier die als Figurinen benannten Kostüme den Möglichkeitsrahmen vor. Vor dem Hintergrund aktueller Überlegungen zur gegenseitigen Beeinflussung von Mensch und Ding im Bereich des Objekttheaters sowie den Ansätzen der Neuen Materialismen in Bezug auf die Verschmelzung von organischem und mechanischem Bewegungsapparat liest sich diese interdisziplinäre Arbeit relevanter denn je. Der Tanz ist für Oskar Schlemmer eine Möglichkeit, seine Bildwelten in den Raum zu tragen. Gemeinsam mit dem Tänzer*innenpaar Elsa Hötzel und Albert Burger entwickelt er das Bewegungsmaterial für die jeweiligen Figurinen. Inspiriert von seiner eigenen Kunst und durch die Lektüre relevanter Texte über den Mensch-Maschine-Diskurs informiert, muten diese wie mal technisierte, mal animierte geometrische Formen...

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