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Musik: In der unfertigen Stadt
Erschienen in: Theater der Zeit: Robert Wilson: Göttliche Monster (03/2014)
„Nach Moskau! Nach Moskau!“, riefen einst Tschechows „Drei Schwestern“ – ganze Symposien widmeten sich der Deutung dieser Chiffre für ein „anderes Leben“. MaerzMusik, eins der wichtigsten Festivals für aktuelle Musik, ruft dieses Jahr „Nach Berlin! Nach Berlin!“ – ein Motto, das die Hauptstadt als „Magnet musikalischer Immigration“ auffächern will. Berlin sei durch den Zuzug von Künstlern „zu einer kosmopoliten Kunst- und Musikstadt geworden“, so formulieren es unisono Thomas Oberender, der Intendant der Berliner Festspiele, und Matthias Osterwold, der künstlerische Leiter der integrierten MaerzMusik. Das einwöchige Programm porträtiert denn auch „musikalische Immigranten“ aus Russland, Tschechien und der Schweiz, aus Israel, den USA und Brasilien. Für den Standort Berlin gebe es viele Gründe, sagen Teilnehmer: der kreative Diskurs, der Charme einer permanent „unfinished city“, das Erlebnis von „Freiheit“. Und: die Möglichkeit, sich als Künstler in einer fremden Kultur neu zu definieren. Bei MaerzMusik erklingt z. B. „Shiva For Anne – Jenseitstrilogie III“, eine Musiktheater-Uraufführung der in Berlin lebenden Schweizer Komponistin Mela Meierhans, die sich mit Totenklagen im Christentum, Islam und Judentum beschäftigt. Oder die Kammermusik „Cihangir“ des palästinensisch-israelischen Neutöners und Wahlberliners Samir Odeh-Tamimi – sein Werk ist benannt nach einem Stadtteil Istanbuls, in dem er zeitweise wohnte, „auf der Suche nach dem...