Europa ist jung. Europa ist sexy. Seit dem 1. Januar 2014 gelten auch für Rumänien und Bulgarien die Gesetze der Freizügigkeit. Jedem EU-Bürger ist es ohne gesonderte Arbeitserlaubnis gestattet, in jedem Land der Europäischen Union zu arbeiten. Ein Narr, wer beim Anblick der beiden Ladys in Pumps den Begriff der Freizügigkeit gleich in seiner frivolen Doppelbedeutung denkt? Die Damen von der Vermittlungsagentur „Gemeinsam durch den Tag“ jedenfalls geben sich große Mühe, ihren schmierigen Anwerbeversuchen durch permanentes Stewardesslächeln einen Hauch von Seriosität zu verleihen. Hinter ihnen bäumt sich ein roter Teppich in die Luft, der, zur Sprungschanze drapiert, den Abflug in ein besseres Leben suggeriert. Aktuellen Schätzungen zufolge nutzen in Deutschland derzeit rund 300 000 Frauen aus Osteuropa diese Chance auf ein besseres Leben. Im Agenturjargon werden sie Pflegekräfte genannt, Journalisten schreiben von Dienstmägden des 21. Jahrhunderts: 24 Stunden im Einsatz, oft unterbezahlt und nicht versichert. In Gianina Carbunarius Stück „Sprechen Sie Schweigen?“, das am ersten Wochenende des Internationalen Theaterfestivals in Sibiu zu sehen war, werden die Konditionen dieser Arbeit im süßlichen Ton der Verlockung vorgetragen. Ausbeutung als vermeintliches Karrieresprungbrett. Zynisches Europa.
Zehn Jahre ist es nun her, dass Rumänien, gemeinsam mit Bulgarien, unter strengen Auflagen – Bekämpfung der Korruption, der...