Gyula Molnár
Der aus Ungarn stammende, seit langer Zeit in Italien lebende Objekttheaterkünstler war viele Male zu Gast beim Festival. U. a. 2001 mit „Drei kleine Selbstmorde“, seiner frühen, minimalistischen und inzwischen Kultstatus genießenden Objekt-Inszenierung über ein verachtetes und ausgegrenztes Alka Selzer, die Liebe eines schwedischen Streichholzes zu einer Kaffeebohne und über die Zeit an sich; er warf sich gemeinsam mit Jacques Templeraud in eine objekt-artistische, rüde und zärtliche Version von „Blanche neige/Schneewittchen“; im Solo „Gagarin“ stellte er 1997 auf den Bühnen aller vier beteiligten Festivalstädte mittels ausgesuchter Dinge, zu denen ein Hula-Hoop-Reifen gehörte, irritierende Mutmaßungen über die wahre Reise des ersten Kosmonauten an; er lud in seinen oder vielleicht auch seines Kollegen Carrignon geordnet-chaotisch philosophischen Kopf ein („Unaussprechlich QKWZVA“) und wirkte als Spieler in Produktionen des Ensemble Materialtheater mit – z. B. in dem ebenso witzigen wie bewegenden atheistischen Mysterienspiel „Passion der Schafe“, das 2009 im Nürnberger Festivalprogramm gezeigt wurde. Und dies ist nur eine Auswahl der Inszenierungen, mit denen sich Gyula Molnár in über 20 Jahren, zumeist in Erlangen, in die Herzen der Besucher*innen des Figurentheater- Festivals spielte. Inszenierungen, wie „Drei kleine Selbstmorde“ oder „Gagarin“, die ästhetisch und inhaltlich nicht wirklich zu altern scheinen – vielleicht, weil sie sich von Beginn an mit ihrer Mehrdeutigkeit, ihrer künstlerischen Genauigkeit und ihrem typisch molnárschen Spielwitz einer zeitgeistigen Kategorisierung entzogen. Wie auch „Veilées“, das Molnár 14 Jahre nach der offenbar wenig erbaulichen Zuschauerreaktion von 1991 noch einmal beim Festival zeigte: 2005 in Erlangen, in einer Neufassung unter dem Titel „Nachtwandler“ mit Annette Scheibler vom Ensemble Materialtheater als Partnerin. Für Festivalneulinge ein besonderes Theatererlebnis, für Festivalfans der ersten Stunde zusätzlich eine wunderbare Chance, künstlerische Entwicklung in nucleo zu betrachten.
Stand: 2025 (Datum der letzten Veröffentlichung bei Theater der Zeit)