Heinar Kipphardt
eigentlich Heinrich Mauritius Kipphardt, geboren am 8. März 1922 in Heidersdorf (Łagiewniki) / Schlesien; gestorben am 18. November 1982 in München. Schriftsteller und bedeutender Vertreter des Dokumentartheaters.
Martin Linzer schrieb in TdZ über ihn: „... Als Dokumentarist der Epoche nicht nur Faktenfetischist und Moralist, sondern scharfsichtiger Analytiker und, als Schreibender: Dramatiker, hinterließ uns ein Werk, das Theater wie Publikum gleichermaßen fordert: BRUDER EICHMANN! Die makabre Gestalt des Schreibtischmörders beschäftigte ihn bereits in den sechziger Jahren. In »Joel Brand - die Geschichte eines Geschäfts« ist der deutsche »Idealist und Pflichtmensch« schon im Visier. Aber hier noch mehr Typ als Typus in einem Spiel um Macht und Geschäft. Nun faßte er ihn ganz: BRUDER Eichmann! Kipphardt ist genau. unbestechlich. Er studiert die Quellen, benutzt die Eichmann-Protokolle, nimmt Eichmann »beim Wort«; aber sowenig Kipphardt schon in der »Sache J. Robert Oppenheimer« oder beim »Joel Brand« das rein Biographische interessiert hat, so sehr reizte ihn auch hier das Exemplarische dieses Stücks Leben. Das Psychogramm wurde zur Analyse einer Charakterstruktur eines der »am Beispiellosen beispielhaft beteiligt« war (Michael Hatry), ein Charakter, geprägt von Maximen und Spielregeln, die gestern wie heute schlimme Folgen haben – können.
Deshalb sind die von Kipphardt so genannten Analogie-Szenen so wichtig, in denen auf »Ähnlichkeiten« (nicht auf Gleichwertigkeit) verwiesen wird. Daß die bürgerliche Presse der BRD vor allem diese Szenen »bedenldich« und »mißverständlich« fand und an der Münchener Uraufführung lobte, daß sie diese Szenen von 21 auf 4 reduzierte, spricht für sich - und außerdem gegen die Uraufführung, die Berichten zufolge auch den exemplarischen Fall auf den Sonderfall zurückschraubte.
Die Theater unserer Republik haben auf das außerordentliche Angebot, auf die moralische und politische »Provokation« Heinar Kipphardts in Wahrnehmung ihrer moralischen und politischen Verantwortung schnell reagiert. Die Bühnen in Dresden und Leipzig werden BRUDER EICHMANN im September zur DDR-Erstaufführung bringen, das Deutsche Theater wird, bedingt durch die Festlegungen zur Wiedereröffnung, im Frühjahr 1984 nachziehen und dem Stück von Kipphardt absichtsvoll Thomas Bernhardts VOR DEM RUHESTAND folgen lassen.
TdZ hat die Regisseure gebeten, knapp die Gedanken zu formulieren, die sie zur Inszenierung dieses Stücks heute und hier bewegt haben. Wir stellen dem ungekürzten Abdruck des Stücks deshalb die Antworten von Horst Schönemann, Karl Kayser und Friedo Solter an die Seite“ (TdZ 5/1983, S. 49).
Stand: 2025 (Datum der letzten Veröffentlichung bei Theater der Zeit)

















