Heinar Kipphardt
von Ute Nyssen
Erschienen in: Ist’s vorüber, lacht man drüber (11/2025)

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»Ändere die Welt, sie braucht es«, könnte die Überschrift für die imponierende Lebensgeschichte (1922−1982) des Schriftstellers, Psychiaters und Dramaturgen Heinar Kipphardt lauten. Der alte linke Aufruf hatte für viele nach dem Zweiten Weltkrieg neu an Stoßkraft gewonnen. Kipphardt inspirierte die Botschaft ungewöhnlich nachhaltig − und für kaum jemanden waren die Folgen, die der Veränderungswille nach sich zog, so niederschmetternd, persönlich so aufwühlend wie für ihn.
Doch zunächst, 1949, nach seinen Erlebnissen als Soldat und als Sohn eines gefolterten Marxisten (mehrfach von den Nazis im KZ interniert), ist der 27-jährige Kipphardt nicht nur von der Notwendigkeit einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung überzeugt, sondern zutiefst auch von deren Machbarkeit. Daher folgt der in Krefeld frisch promovierte Mediziner mit seiner ersten existentiellen Entscheidung der politischen Praxis späterer Künstlerkollegen, wie beispielsweise Bertolt Brecht und Hanns Eisler. Voller Tatenlust wählt er als Heimat Ostdeutschland, die nachmalige DDR. »Seien wir mutige und sorgfältige Geburtshelfer für die erste Epoche der Menschheitsgeschichte, die menschliche Würde und menschliche Größe ermöglicht«, schreibt er von Ostberlin seinem Vater. An der Nervenklinik der Charité arbeitet Kipphardt einstweilen als Arzt, Fachrichtung Psychiatrie, wird jedoch schnell vom Deutschen Theater als Dramaturg entdeckt und engagiert – ein Quereinsteiger...