Vom Scheitern der Keimzelle der westlichen Gesellschaft erzählen die fünf Theaterstücke im neuesten Band der Reihe Scène. Zeugungsunfähigkeit, Alkoholismus, wirtschaftliche Probleme und die bange Frage nach der eigenen Identität prägen die Paarbeziehungen in den zeitgenössischen Theatertexten aus Frankreich und dem französischsprachigen Kanada. Noch nicht einmal die rassistische Abgrenzung gegen den Fremden bietet den Protagonisten noch Sicherheit.
Trotz thematischer Gemeinsamkeiten haben die versammelten Autoren formal äußerst unterschiedliche Wege eingeschlagen: In Fabrice Melquiots tiefschwarzer Boulevardsatire „Youri" wird ein ausländischer Jugendlicher zur Projektionsfläche der Wunschvorstellungen und Allmachtsfantasien eines kinderlosen Yuppie-Ehepaars. Nicht weniger abgründig kommt Rémi De Vos' derbes Volkstheater-Duett „Occident" daher, in dem die Auseinandersetzungen eines Kneipenheimkehrers mit seiner Frau immer stärker fremdenfeindliche Untertöne bekommen. Gérard Watkins schickt in seinem düsteren Kammerspiel „Identité" ein junges mittelloses Ehepaar auf die Suche nach ihren Ursprüngen und lässt sie dabei selbst ein Überwachungssystem à la „1984" errichten. Während Stéphanie Marchais in „Intégral dans ma peau" in einer überbordenden poetisch-sexualisierten Sprache die Liebesgeschichte zwischen einem Schulverweigerer und seiner Lehrerin andeutet, finden in Sarah Berthiaumes stark von Kino und Fernsehästhetik geprägten Selbstfindungstrip „Yukonstyle" drei junge Menschen mit komplizierter Vergangenheit im rauen Nordwesten Kanadas zu sich selbst und schließlich zueinander.