Magazin
Workshop: Die Frage der Massen in der Kunst
Untersuchung eines unbekannten Theatermanifests von Asja Lācis
Erschienen in: Theater der Zeit: Bühne & Film – Superstar aus Neustrelitz (01/2023)
Assoziationen: Berlin
1921 in Riga schreibt und veröffentlicht eine Frau ein avantgardistisches Manifest – ein bemerkenswerter Vorgang. Asja Lācis, Regisseurin, Netzwerkerin deutsch-russisch-lettischer Kunst- und Kulturbeziehungen, Gründerin des ersten alternativen Kindertheaters 1918 im zentralrussischen Orel. Die Spielleiterin der proletarischen Revue „Die Gesichter der Jahrhunderte“ 1921/22 in Riga, die mit einem gewaltigen Massenumzug durch die Stadt und dem gemeinsamen Absingen der „Internationale“ endete, ist endlich selbst Gegenstand von kunst- und theatergeschichtlichen Forschungen geworden. Das wurde Zeit, denn bis dato interessierte sich die Forschung für Asja Lācis vorrangig als Geliebte Walter Benjamins und als Anlass für seinen nachgelassenen wichtigen Text „Programm für ein proletarisches Kindertheater“. Hildegard Brenners Veröffentlichung dieses Textes 1968 in der Zeitschrift alternative sowie ihr Buch mit Lācis-Texten und Interviews „Revolutionär im Beruf“ (1971) stellten seinerzeit einen Paradigmenwechsel im Denken und Tun hinsichtlich des Kindertheaters dar.
Die Kultur- und Theaterwissenschaftlerin Mimmi Woisnitza und die Theaterpraktikerin Konstanze Schmitt stellten dieses Manifest in den Mittelpunkt eines Workshops im Literaturforum des Brecht-Hauses, im Kontext des Sonderforschungsbereichs „Intervenierende Künste“ der Freien Universität Berlin. Der Text „Die neuen Richtungen in der Theaterkunst“ wurde 2017 für die documenta 14 wiederentdeckt und erstmals ins Deutsche übersetzt. In ihm sind so erstaunliche Sätze zu lesen wie: „Das Hauptaugenmerk soll auf kollektives...