Briefwechsel
Ein Mailverkehr
Katrin Pahl im Austausch mit Thomas Köck
von Thomas Köck und Katrin Pahl
Erschienen in: Recherchen 167: Dramatisch lesen – Wie über neue Dramatik sprechen? (05/2023)
Lieber Thomas,
nun müssen wir wohl irgendwie einen Anfang machen.
Ich werd mal so anfangen, dass ich aufliste, was mich besonders beim Lesen von atlas interessiert hat. Das ist für mich auf jeden Fall der Einstiegstext.
• Stillstand bzw. Leerlauf der Zeit als Utopie
• Der Ozean und die Situation des Flüchtens
auf relativ kleinen, überfüllten Booten als »amniotechnics« – ein Begriff, den Sophie Lewis in ihrem provokativen Buch zur allgemeinen Leihmutterschaft prägt und als »the art of holding and caring … of protecting water and protecting people from water« definiert (Full Surrogacy Now, London: Verso, 2019,165). (Hier bewegen wir uns vielleicht von Deinem Text etwas weg, könnte aber interessant sein und der Dialog mit dem Text bleibt.)
• Mutterrollen: Dein Text stellt Mutterrollen vor, die wir nicht so oft auf der Bühne sehen – weder Kindsmörderin noch bürgerlich frustrierte Mutter noch Heile-Welt-Mutter, sondern sorgende Mütter, die sowohl schaffen/kreieren/gebären, also ihren Töchtern zu Existenz verhelfen, als auch an der partiellen Nichtexistenz dieser Töchter beteiligt sind: eine Mutter, der ihre Tochter auf der Flucht im Wasser abhandenkommt, und eine Mutter, die die Existenz ihrer Tochter erst einmal verheimlicht. Auch hier interessiert mich nicht so sehr das Melodramatische an diesen...