„Männlich Weiß Hetero“: Ein Festival über Privilegien in Deutschland
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Assoziationen: Hebbel am Ufer (HAU)
21 Jahre nach dem Ende der Apartheid präsentiert das Berliner HAU 2015 ein Festival, das an die gesellschaftlichen Debatten zur Gründungszeit der Regenbogennation erinnert und der kolonialen Norm einen Namen gibt: „Männlich Weiß Hetero: Ein Festival über Privilegien“. Im Vergleich zu Südafrika also relativ spät, dafür mit einer gewissen Dringlichkeit, setzen sich in letzter Zeit Theaterfestivals hierzulande mit Themenfeldern auseinander, die weitestgehend innerhalb postkolonialer Diskurse zu verorten sind.16 Der Titel des Festivals am HAU gibt der kolonialen Norm eine Gestalt: der weiße, heterosexuelle Mann. Er beherrscht(e) nicht nur die ehemaligen Kolonien, sondern treibt, so argumentieren die kurzen Essays im Begleitheft, sein Unwesen ebenso in den europäischen Ursprungsländern der Kolonisten. Das vermeintlich Andere, das heutzutage in vielerlei Augen geflüchtete Menschen symbolisieren, wurde und wird seit Jahrhunderten dem Weiblichen, den Homosexuellen und den People of Color zugeschrieben. Auch heutzutage, so suggeriert die Trias Männlich-Weiß-Hetero, sei es von Vorteil, der kolonialen Norm entsprechend, ein weißer, heterosexueller Mann zu sein: Männer haben bessere Berufschancen als Frauen, weiße Menschen haben höhere Lebensstandards als schwarze, und heterosexuelle genießen jede Menge gesellschaftliche Vorteile gegenüber homosexuell lebenden Menschen. Mit Blick auf die Anhängerschaft radikaler nationaler Bewegungen, die zum Teil männlich und weiß sind und eher ein heterosexuelles...